Badische Zeitung: 01. Juni 2013
Olaf Döhring – Schwimmmeister im 971 Meter hoch gelegenen Waldfreibad Häusern-Höchenschwand
Mit seinem Helfer rollt Olaf Döhring die blaue Schutzplane über dem Becken aus, die Wärme soll nicht entweichen. Dabei hat der Tag eigentlich vielversprechend begonnen mit Sonnenschein: Zeitweise wurden in Höchenschwand auf knapp 1000 Metern Höhe 20 Grad gemessen, das Wasser ist immer mindestens 22 Grad warm. Verglichen mit den kühlen Tagen zuvor war mächtig was los. Doch dann kamen sie zurück: Regenwolken. Olaf Döhring zuckt die Schultern: „Was will man machen?!“ Dominik Bloedner hat ihn am Arbeitsplatz besucht.
Wie viel Sonne im Herzen braucht man als Fachangestellter für Bäderbetriebe – so lautet Döhrings offizielle Berufsbezeichnung – an Schmuddeltagen wie diesen? Man macht das Beste daraus und lacht auch ohne Galgenhumor. Ohnehin gibt es im Bad immer was zu tun. „Ich bin hier nicht nur der Bademeister, sondern auch der Hausmeister“, sagt Döhring. Der 44-Jährige kümmert sich um die Technik, die Filteranlagen, die Pumpen, den Gasbrenner, er schneidet die Hecke, er wienert die Kacheln, er pumpt die Volleybälle auf. Und ja, für ein Schwätzchen mit den Stammgästen, die auch bei widrigsten Umständen tapfer ihre Bahnen in dem 50 Meter langen Becken ziehen, bleibt immer Zeit.
Vor zwei Wochen ist hier im Hochschwarzwald bei Nieselregen die Badesaison eröffnet worden, die meisten anderen Bäder in der Region sind immer noch zu, auf dem Feldberg liegt derzeit Schnee – Frühling geht anders. „Sicher, in ein Schwimmbad gehören Kinderlachen und Leben“, sagt Döhring. Er nimmt den Regen hin, ein Magengeschwür will er sich deswegen nicht holen. „Wasser ist nun einmal mein Element, ich bin im Zeichen des Wassermann geboren.“ Er schaut jeden Morgen im Internet nach dem Wetter und hofft nun auf die zweite Juniwoche, da soll es endlich besser werden. Dann kommen auch die Touristen aus Holland und Norddeutschland, die Leute aus der Rheinebene und der Schweiz, die älteren Damen aus St. Blasien, die Familien aus der Nachbarschaft.
Döhring wartet. Er ist seit 13 Jahren jeden Sommer hier, und nicht jeder Sommer kann so sein wie der Rekordsommer 2003. Er ist der einzige Festangestellte des Bades, er kennt alle, nicht wenigen hat er Brustschwimmen und Kraulen beigebracht. Er selbst hat das im Rheinschwimmbad in Schwörstadt gelernt. „Mein Vater hat mich als kleinen Bub’ einfach hineingeschmissen, aber es hat funktioniert“, erinnert er sich.
Döhring wächst in Murg auf, lernt Schreiner, friert bei der Bundeswehr in der Kaserne in Stetten am kalten Markt, jobbt in Fabriken und schult schließlich Mitte der 90er Jahre zum Schwimmmeistergehilfen um. Er lernt im Fach Biologie, wie der menschliche Körper funktioniert, er büffelt in Chemie, wie das mit der Wasseraufbereitung geht, er paukt Rechts- und Verwaltungskunde. Und natürlich muss er beweisen, dass er nicht nur selbst recht passabel schwimmt, sondern dass er auch das Leben anderer im Wasser retten kann.
„Das war anspruchsvoll und vielfältig. Das Klischee des Bademeisters mit dem Goldkettchen, der den Mädchen auf den Po guckt und das ganze Trulala, das entspricht nicht mehr der Realität“, sagt Döhring und schmunzelt. Nach Abschluss der Umschulung verliebt er sich auf 971 Metern über dem Meeresspiegel: in das 1974 von den beiden Gemeinden Häusern und Höchenschwand gebaute Waldfreibad. Wenn es hier oben dunkel wird, dann kommen die Rehe aus dem Wald, auf der Liegewiese sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Ein Idylle hoch oben.
Den Rekord für das höchste Freibad in Deutschland nimmt allerdings das Bad in Todtnauberg für sich in Anspruch. Es liegt nach eigenen Angaben knapp 14 Meter höher – aber es macht erst Mitte Juni auf. Vor acht Jahren drohte dem Bad in Höchenschwand das Aus, die Kassen in den beiden Kommunen waren leer. Doch es kam zu einem Aufschrei in der Bevölkerung. Ein Förderverein mit derzeit knapp 400 Mitgliedern hat sich gegründet und das Bad übernommen, er wird nun von den beiden Gemeinden mit je 50 000 Euro pro Jahr bezuschusst. Es hat funktioniert, vor Saisoneröffnung sind bereits 283 Dauerkarten verkauft worden.Wenn in der gesamten Saison 20 000 Badegäste gezählt werden, dann war es eine gute Saison.
Döhring selbst kommt er nur noch selten auf den Startblock, sein 19-jähriger Sohn ist im Wasser mittlerweile schneller als er. Doch es geht nicht um Rekorde, es geht ums Schwimmen, um die Freude daran. Döhring erzählt, wie er einmal einem von einem Unfall im Wasser traumatisierten Kind das Schwimmen beigebracht hat und wie dessen Mutter dann am Beckenrand vor Rührung weinte.
Und das Wetter? Es wird schon. Ansonsten muss er sich auf den Winter vertrösten. Denn den verbringt er immer in Südostasien bei Freunden und fernab des Massentourismus. Auf dem Programm stehen Angeln, Hochseefischen, Sonne und natürlich jede Menge Wasser.